Dienstag, Februar 21, 2006

Durch den Konsum ... Projekt: Tokio Hotel - Teil 1

Vor kurzem ist die deutsche Teenie-Rockband TOKIO HOTEL in den Mittelpunkt meines Interesses gerückt. Genauer gesagt am vergangenen Wochenende, als ich mir nach langem wieder einmal die aktuelle Ausgabe der BRAVO gekauft hatte. Darin gab es einen TOKIO HOTEL-Posterstarschnitt in Lebensgröße und natürlich war auf maximal jeder dritten Seite ein Beitrag über die Massenhysterie beim letzten TH-Konzert, oder ein Aufruf zum TH-Manga-Zeichenwettbewerb etc. zu finden.
Sogar im aktuellen Rolling Stone wird den vier 16 bis 18jährigen Burschen aus Magdeburg ein Beitrag gewidmet! Also frage ich mich natürlich, was ist dran an dem Hype?

Meine bisherigen Recherchen brachten nicht viel außergewöhnliches ans Tageslicht: Die Band wurde 2001 unter dem Namen „Devilish“ von den eineiigen Zwillingsbrüdern Bill (Leadsänger) und Tom Kaulitz(Gitarre) sowie Bassist Georg und Schlagzeuger Gustav gegründet. Bill, damals zarte 14 Jahre jung, nahm 2004 an der Kinderausgabe von „Star Search“ teil und so wurden die Universal-Produzenten Dave Roth, David Jost und Pat Benzner, die unter anderem auch - den mittlerweile wieder in der Versenkung verschwundenen Deutschpopper -Oli P. (Grönemeyer-Cover „Flugzeuge im Bauch“) gepusht hatten, auf die vier aufmerksam. Der Name wurde in TOKIO HOTEL geändert und schon ging es munter los mit dem Produzieren von Chartbreakern.
Die Debütsingle „Durch den Monsun“ stieg in Deutschland und Österreich von 0 auf Platz 1 in den Hitparaden ein, danach folgte das erste (und aktuelle) Album „Schrei“ und die „Schrei 2005“-Tour, die mittlerweile aufgrund der vielen - vor allem pubertierenden weiblichen - Fans auf eine „Schrei 2006“-Tour ausgedehnt wurde. TOKIO HOTEL bekamen zwei Cometen und einen Bambi, für den Echo sind sie nominiert. Einen solchen Sprint hat es in der auf Kurzstrecke spezialisierten Musikbranche schon lange nicht mehr gegeben ... schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer gestrigen Online-Ausgabe.
Die vier Teenager füllen derzeit Konzerthallen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 14.000 Personen bis auf den letzten Platz aus, diese Form der Massenhysterie erinnert an die Zeiten der Beatles - nur sind die Fans entschieden jünger ... so ein Artikel der ZEIT vom vergangenen Samstag über das Konzert in Tier, bei dem laut Medienberichten ca. 240 Mädchen mit Weinkrämpfen und hysterischen Anfällen zusammengeklappt waren.

Teeniebands sind in den letzten Jahren ein hervorragendes Marketingtool geworden, eine „cash cow“ die von den Plattenbossen gnadenlos gemolken wird, bis auch der letzte Fan sämtliche Platten und Merchandising-Artikel in der sich immer schneller drehenden Konsumspirale erworben hat. Früher reichte es, wenn man als Fan jeden Zeitungsschnipsel und jede CD besaß. Heute müssen T-Shirts und DVDs, Pullis, Kappen und Badges unters Volk gebracht werden. Nicht nur der originäre Kundenwunsch – nämlich den Tonträger zu kaufen bzw. ein Konzert zu besuchen, wofür ja Radiosender wie Ö3 mit ihrer Quotenregelung schon einiges an Arbeit leisten – müssen befriedigt werden, nein, es müssen auch zusätzliche Bedürfnisse kreiert werden, sodass man sich ein völlig überteuertes Shirt um 30 Euro zusätzlich zur konsiderabel bepreisten Konzertkarte leistet. Aber das funktioniert ja auch bei uns Erwachsenen immer wieder ...

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ich kann dir ja nur sehr bedingt zustimmen. Was denn, T-Shirts gibt's erst in den letzten Jahren? Da bist du aber in deiner Kindheit mit verschlossenen Augen herumgelaufen. Ebenso wie es Merchandising-Artikel schon lange gibt. Seinerzeit habe ich Iron-Maiden-Kalender gekauft. Meine Freunde hatten Badges aller möglichen Bands für ihre Jeansjacken. Ja, der mediale Overkill ist heutzutage stärker, aber du kannst nicht mal behaupten, daß heutzutage alles schneller geht, weil die Bands heutzutage dreimal so lange brauchen, neue Platten herauszubringen. Früher mußtest du alle paar Monate ein neues Album deiner Lieblingsband kaufen.

Bedürfnisse kann man übrigens nicht kreieren, nur steuern. Will sagen: Kein Mensch kann dir einreden, daß du ein T-Shirt deiner Band brauchst, wenn du sowieso nie im Leben ein T-Shirt tragen würdest. Nur, wenn du dem T-Shirt als solchem nicht grundsätzlich abgeneigt bist, kann ich für dich spezifische Shirts produzieren, die du dann kaufen wollen wirst. Wenn es sie nicht gäbe, würdest du andere Shirts kaufen.

Stell dir vor, die gesammelte Werbekraft der Welt würde sich darauf konzentrieren, Tampons zu promoten. Glaubst du, Männer würden deshalb auf einmal ein Bedürfnis nach Tampons haben? Man kann nicht einfach aus dem Nichts ein Bedürfnis erzeugen.

Und daß Teenie-Bands da sind, um Geld zu machen, ist nun auch weder eine große Erkenntnis, noch eine große Neuerung. Glaubst du ernsthaft, die Myriaden von Surfbands aus den 60ern seien nicht auf eine jugendliche Surfer-Community zurechtgeschnitten gewesen? Denkst du, Punkrock sei für Leute über 30 gemacht gewesen? Selbst Swing war seinerzeit für die jungen Leute gemacht.

Der Grund, warum es dir so vorkommt, als wäre das heutzutage alles anders, ist der, daß wir die Tokio Hotels der 60er und 70er schon lange vergessen und begraben haben. Wir haben in Geschichtsbüchern, wie junge Kids bei den Beatles-Konzerten in Schreikrämpfe ausgebrochen sind, aber weil wir die Beatles mittlerweile quasi als Hochkultur anerkennen, muss das ja etwas völlig anderes sein als 13jährige Mädchen beim Britney-Spears-Konzert.

Es gibt heute nicht mehr Müll als früher (und vielleicht sind Tokio Hotel kein Müll, sondern große Künstler, aber auf diese Wertung will ich gar nicht hinaus). Aber wir behalten den Müll nicht. An den Schwachsinn unserer Kindheit erinnern wir uns nur, weil wir ihn mitgemacht haben - MC Hammer, Vanilla Ice, und diese House-One-Hit-Wonder wie Black Box oder Technotronic. Den Müll von früher bekommen wir ja nicht überliefert - es sei denn, du forschst nach - und genausowenig werden die Belanglosigkeiten der heutigen Zeit in zwanzig Jahren noch präsent (ich rede vom Bewußtsein, nicht von der tatsächlichen medialen Präsenz) sein. Und irgendjemand wird dann sagen: "In den 2000er Jahren gab's noch richtig gute Sachen, nicht so einen Schwachsinn wie heute."

Übrigens kann man auch keine Hits schaffen. Für jede Band, wo das "Wir-machen-alles-richtig-und-schneidern-denen-die-beste-Musik-zurecht-die-man-kaufen-kann"-Konzept aufgeht, verschwinden hunderte in der Versenkung. Kennst du die 21st Century Girls? Nein? Komisch, da haben nämlich ebenso große Produzenten mit ebenso kommerziellen Songwritern Teenie-Pop gemacht, sogar vom absoluten In-DJ Paul Oakenfold remixen lassen, und die Gruppe ist über 2 Singles nie rausgekommen. Man weiß immer nur hinterher, warum etwas erfolgreich war. Wissen kann man es nie.

Natürlich werden die Teenie-Bands gemolken. Aber frag' doch mal die Rolling Stones, wieviel sie an den Alben für das Label ABCKO verdient haben. Oder einen beliebigen Bluesmusiker der 40er, welchen Prozentsatz der Plattenverkäufe er bekommen hat. Gegenüber zu früher kriegen die heutigen Interpreten doch viel mehr für das, was sie tun.

So, Schluß. Her mit Teil 2 des Teenie-Pop-Blogs.

10:32 AM  
Anonymous Anonym said...

Danke für die Anregungen Chris, du bist wie immer ein unerschöpflicher Quell an musikgeschichtlichem Wissen :)

Bedürfnisse kann man aber doch kreiern, man muss nur vorher sein strategisches Geschäftsfeld klar definieren -> das SGE für Tampons werden nie Männer werden, aber vielleicht gibts irgendwann neongelbe OBs - Bedürfnis kreiert!

Teil 2 folgt auf dem Fuße ...

12:36 PM  
Anonymous Anonym said...

da geb ich doch glatt was aus meinem fachbereich dazu.
der grund für tokio hotels erfolg (nämlich DER Grund, haha) - also sie funktionieren nach dem gleichen prinzip nach dem ich nirvana kassetten heimgetragen habe, meine mum alice cooper poster im zimmer hängen hatte und mein onkel bob dylan gehört hat. in jedem fall fands die elterngeneration fürchterlich und hat es abgelehnt. und im alter von etwa 14 (und so alt sind ungefähr tokio hotel fans) entwicklt sich ja eine eigenständige persönichkeit, pubertät und so. Tokio Hotel werden ja von den Alten abgelehnt, weil sie fürchterlich klingen und fürchterlich aussehen (das haben sie über alice cooper und kurt cobain auch gesagt) und - voila die Teenies haben was eigeens. Sowie wir damals was eigenes hatten. Abgrenzung von den Eltern. wir hatten halt damals noch die cleveren musikerkritiker auf unserer seite. nirvana fand die kritik (also die leute die sich auskennen) immer gut. Tokio Hotel finden alle scheiße, nur die fans halt nicht. Die haben da noch viel mehr was eigenes. und die extreme ablehnung, drängt sie in extreme verteidigung. da fällt mir grad die kelly family ein.
Und in Bezug auf die 4 buben in der band - Ob die das alles gut in die reihe kriegen bezweifle ich, vorallem weil ich bezweifle, dass sie gute unterstützung kriegen. das ganze wirkt auf mich wie eine geldmaschine und auf die 4 wird wohl wenig rücksicht genommen. unterstell ich jetzt mal. die werden getragen solange sie geld bringen. und dann holt man sich die nächsten. siehe Echt. auch Schülerband und solange erfolgreich und beliebt wie sie getan haben was ihnen gesagt wurde. als sie eigene songs aufgenommen haben (die eigenlich gut waren) sind sie fallen gelassen worden und abgesoffen.
aber tokio hotel bringt 16.00 fans in eine halle, ist für wichtige deutsche musikpreise nominert - irgendwas muss da dran sein, für irgendwen der verdammt viele leute ist. also krise von fansein, der musik oder des interesses der jungen an musik - ich seh keins. und wenns nciht so spät würd hier auch noch die erklärung passen warum die masse immer so schlechten geschmack hat. würd keiner tokio hotel hören wären sie ein schülerband wie jede andere und die wären auch schlecht wie jede andere, aber man sich freuen, dass die jungen ihr ding machen und 'hey sie sind ja jung, die könnens halt noch net besser, aber das kann ja noch werden'

2:14 AM  
Anonymous Anonym said...

Liebes TinMachinchen,

dein Beispiel der neongelben Tampons unterstützt doch nur meine Aussage: Es wird kein Bedürfnis erzeugt, nur eins gesteuert. Statt normaler weißer Tampons kaufst du dir dann halt neongelbe ebensolche. Die von dir angesprochene Zielgruppe hat schon das Grundbedürfnis, das Erzeugen von Spezialversionen ist nur eine Lenkung des Bedürfnisses auf bestimmte Artikel, die dann eben statt einem anderen gekauft werden. QED.

1:24 PM  

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